Samstag, 6. Juni 2015

Mehlschwalben

 
Die Mehlschwalbe (Delichon urbicum) ist eine Vogelart aus der Familie der Schwalben (Hirundinidae). Sie ist neben Ufer-, Rauch- und Felsenschwalbe die vierte Art dieser Familie, die in Mitteleuropa als Brutvogel vorkommt. Sie ist besonders gut durch den weißen Bürzel zu identifizieren, den keine andere europäische Schwalbenart zeigt.
 
Das Verbreitungsgebiet der Mehlschwalbe erstreckt sich über fast ganz Europa und das außertropische Asien. Mehlschwalben sind ausgeprägte Zugvögel. Die westeurasischen Brutvögel überwintern in der Regel in Afrika in einem Gebiet, das sich von der Südgrenze der Sahara bis zur Kapprovinz erstreckt.
 
 
Die Mehlschwalbe hat eine Körperlänge von etwa 13 Zentimeter und wiegt zwischen 16 und 25 Gramm. Sie ist damit kleiner und schlanker als ein Sperling und zählt innerhalb der Familie der Schwalben zu den mittelgroßen Vögeln.
 
Bei adulten Mehlschwalben sind der Kopf, der Rücken, die Oberseite der Flügel und der Schwanz blauschwarz. Die gesamte Körperunterseite und der Bürzel kontrastieren dazu mit einer reinweißen bis mehlweißen Färbung. Auch die kurzen Beine und die Füße sind weiß befiedert. Die Zehen und die wenigen unbefiederten Stellen der Beine sind hell fleischfarben. Verglichen mit der Rauchschwalbe ist der Schwanz weniger stark gegabelt; es fehlen stark verlängerte äußere Federn. Die Augen sind braun; der Schnabel ist kurz und schwarz.

 
 
 
Der Flug der Mehlschwalbe ist verglichen mit dem der Rauchschwalbe weniger reißend, sondern eher flatternd und von längeren Gleitphasen unterbrochen. Charakteristisch für ihren Jagdflug ist ein häufiges, abruptes Hochsteigen mit schwirrenden Flügelschlägen.
 
Die Flügelschlagfrequenz beträgt bei der Mehlschwalbe im Durchschnitt 5,3 Schläge pro Sekunde, während sie bei der Rauchschwalbe mit 4,4 Schlägen pro Sekunde etwas langsamer ist. Grundsätzlich jagt die Mehlschwalbe in höheren Luftschichten als die Rauchschwalbe. Auch wenn sie gelegentlich pflügenden Traktoren oder Weidevieh nachfliegt, um aufgescheuchte Insekten zu fangen, so beträgt ihre Jagdflughöhe im Brutgebiet durchschnittlich 21 Meter, in ihren Überwinterungsgebieten sogar 50 Meter über dem Boden. Rauchschwalben dagegen erjagen den größten Teil ihrer Beute in einer Flughöhe von sieben bis acht Metern.
 
 
 

Von Greifvögeln verfolgte Mehlschwalben erreichen eine Geschwindigkeit bis zu 74 Kilometer pro Stunde. Ziehende Mehlschwalben fliegen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 43 Kilometern pro Stunde. Die Strecke zwischen dem Brutplatz und ihren Jagdrevieren legen sie mit durchschnittlich 38 Kilometern pro Stunde zurück.
 
 
 
 
Mehlschwalben sind sehr ruffreudige Vögel. Am häufigsten zu hören ist ein leises, schwatzendes Zwitschern oder Leiern, das nicht so abwechslungsreich und melodiös wie das der Rauchschwalbe ist. Im Flug und beim Anflug ans Nest ist regelmäßig ein tritri oder driddrli zu hören. Der Kontaktlaut ist ein hartes trieer, gelegentlich lautmalerisch auch als chirrp umschrieben. Dieser Ruf ist auch im Überwinterungsgebiet zu hören. Der Alarmruf ist ein schrilles tsier oder tseep.
Auffallend sind die Bettellaute, die die jungen Mehlschwalben ab einem Alter von zwei bis vier Tagen von sich geben. Junge Nestlinge lassen zunächst ein einsilbiges tik tik tik hören; bei älteren Nestlingen ändert sich dies zu einem zittritvitvii. Ab einem Alter von etwa zwei Wochen sind die Bettellaute der Nestlinge auch während der Nacht zu hören.
 
 
 
 
 
Bei Mehlschwalben handelt es sich ursprünglich um Brutvögel, die an senkrechten Felswänden brüten. Brutkolonien an solchen natürlichen Stellen gibt es bis heute. In Tibet ist die Mehlschwalbe sogar ein ausgesprochener Gebirgsvogel, der Fels-, Erd- und Lösswände noch bis in eine Höhe von 4.600 Metern nutzt, um dort seine Nester anzulegen. Im europäischen Verbreitungsgebiet ist die Art dagegen überwiegend ein Kulturfolger, der die offene und besiedelte Kulturlandschaft als Lebensraum nutzt. Auch im europäischen Verbreitungsgebiet siedeln Mehlschwalben noch in großer Höhe. In Österreich ist eine Kolonie von Mehlschwalben am Großglockner in einer Höhe von 2450 Metern belegt; in der Schweiz brüteten Mehlschwalben am Furkapass in einer Höhe von 2431 Metern. In Spanien erreicht die Höhenverbreitung 2600 Meter.
 
 
 
Mehlschwalben sind auf freie Flächen mit niedriger Vegetation angewiesen. Dies ermöglicht ihnen die Jagd auf Luftplankton auch dann, wenn dieses wegen regnerischen oder stürmischen Wetters niedrig fliegt. Die Nähe von größeren Gewässern ist gleichfalls notwendig, um geeignetes Nistmaterial zu finden. In der Literatur gibt es unterschiedliche Angaben, wie ausgeprägt das Kulturfolgeverhalten der Mehlschwalbe insbesondere im Vergleich zur Rauchschwalbe ist.
 
In den Überwinterungsgebieten nutzt die Mehlschwalbe gleichfalls offene Landschaften. Die Mehlschwalbe ist dort jedoch weniger auffällig als die im gleichen Raum überwinternden Rauchschwalben. Sie fliegt höher und besitzt eine stärker nomadische Lebensweise. In den tropischen Regionen des Überwinterungsgebietes wie etwa in Ostafrika und Thailand halten sich Mehlschwalben grundsätzlich eher in Höhenlagen auf.
 
 
 
 
Mehlschwalben sind Langstreckenzieher, die in einer breiten Front den Mittelmeerraum und die Sahara überqueren. Der Höhepunkt des Zugbeginns in West- und Mitteleuropa liegt zwischen Ende August und Anfang Oktober, im südlichen Brutgebiet setzt er etwas später ein. Die Rückkehr in die Brutgebiete erfolgt im April und Mai, wobei es starke regionale Unterschiede gibt. Für Luxemburg wurde als durchschnittliches Ankunftsdatum der 13. April ermittelt, in Estland fällt es auf den 19. Mai. In der Regel treffen Mehlschwalben dabei rund 10 Tage nach den Rauchschwalben ein. Mehlschwalben ziehen grundsätzlich während des Tages. Einige Vögel scheinen jedoch auch während der Nacht weiterzuziehen.
 
 
 
Zu den Charakteristika der Mehlschwalbe gehört eine hohe Treue gegenüber ihrem Geburtsort. Von in 60 verschiedenen oberschwäbischen Ortschaften ausgeflogenen 4700 Nestlingen kehrten im Folgejahr rund 450 als Brutvogel in ihren Geburtsort zurück. Die hohe Differenz zwischen ausfliegenden Nestlingen und Rückkehrern ist dabei überwiegend auf Verluste während des Zuges zurückzuführen. Eine Reihe von Untersuchungen legt nahe, dass sich männliche Mehlschwalben im Durchschnitt knapp 1,5 Kilometer entfernt vom Geburtsnest ansiedeln. Weibchen sind dagegen etwas wanderfreudiger und siedeln sich im Schnitt in rund 3,2 Kilometer Entfernung an. Auch die Rückkehr und Wiederansiedelung am „Geburtshaus“ und teilweise sogar im Geburtsnest kommt vor: Von 165 kontrollierten Weibchen kehrte eines ins Geburtsnest zurück, sieben weitere brüteten am Haus, an dem ihr Geburtsnest hing. Auch bei dieser Untersuchung bestätigte sich eine höhere Ortstreue der Männchen. Von 279 kontrollierten Männchen nutzten acht ihr Geburtsnest für eigene Bruten und 54 weitere Männchen brüteten am Geburtshaus.
 
 
 
In ihrem Nahrungsverhalten gleicht die Mehlschwalbe anderen insektivoren Vögeln, insbesondere den Schwalben und den nicht mit dieser Familie verwandten Seglern wie etwa dem Mauersegler, die in der Luft nach Insekten jagen.
 
 Die jeweilige Nahrungszusammensetzung ist vom Angebot bestimmt. Bei einer Untersuchung am in den Schweizer Voralpen gelegenen Thunersee machten Fliegen, Mücken und Blattläuse etwa 80 Prozent der Nahrung aus. Weitere 10 Prozent bestanden aus Wasserinsekten. Auch Untersuchungen in anderen Regionen bestätigen die hohe Bedeutung von Blattläusen, Fliegen und Mücken in der Nahrung der Mehlschwalben. Schnabelkerfe, Käfer, Schmetterlinge und Webspinnen zählen zu den weiteren von Mehlschwalben gefressenen Gliederfüßern.
 
Sofern die Mehlschwalben keine Jungen mit Nahrung versorgen müssen, schlucken sie die gefangenen Insekten sofort hinunter. Versorgen sie Nestlinge, sammeln sie die erjagten Insekten in ihrem Kehlsack. Langflüglige Insekten wie Eintagsfliegen oder größere Schmetterlinge werden meist im Schnabel zum Nest gebracht. Für die Nahrungssuche entfernen sie sich bis zu zwei Kilometer vom Nest. Im Schnitt gehen sie aber 450 Meter vom Niststandort entfernt auf Jagd.
 
 
Von zehn ausgewachsenen Mehlschwalben erreichen nur drei bis sechs das nächste Lebensjahr. Obwohl einzelne Individuen belegt sind, die ein Lebensalter von 10 und 14 Jahren erreichten, erlebt die überwiegende Zahl der Mehlschwalben das vierte Lebensjahr nicht. Das Durchschnittsalter einer Mehlschwalbenpopulation beträgt lediglich zwei Jahre.
 
Mehlschwalben werden von einer Reihe von Außen- und Innenparasiten befallen. Zu den Innenparasiten zählen Saugwürmer, Bandwürmer und Fadenwürmer. Als Ektoparasiten treten Federlinge, Lausfliegen, Flöhe wie Ceratophyllus hirundinis, Milben und Schmeißfliegen auf.
 
 
 
Adulte Mehlschwalben werden verhältnismäßig selten von Greifvögeln geschlagen. Angriffen von Greifvögeln sind sie am ehesten ausgesetzt, wenn sie zur Aufnahme von Baumaterial am Boden sitzen. Sperber, Habichte, Schwarz- und Rotmilane schlagen nur gelegentlich Mehlschwalben. Der Greifvogel, der am ehesten Mehlschwalben erbeutet, ist der Baumfalke. Normalerweise sind die Mehlschwalben in der Luft aber so wendig, dass sie Verfolgern entkommen. Schleiereulen sind in der Lage, die nachts in den Nestern ruhenden Mehlschwalben herauszuziehen. Einzelne Studien haben unter den von dieser Eulenart erbeuteten Vögeln einen Anteil an Mehlschwalben zwischen vier und acht Prozent nachgewiesen. Auch Waldkäuze erbeuten gelegentlich während der Nacht Mehlschwalben. Schwarzspechte zerstören mitunter die Nester von Mehlschwalben, um die Eier und Nestlinge zu rauben. Elstern spezialisieren sich gelegentlich gleichfalls auf diese Form des Beuteerwerbs.
Widrige Wetterbedingungen, besonders kalte und nasse Sommer, führen ebenfalls zu einer hohen Jungensterblichkeit. Ausgewachsene Mehlschwalben sind vor allem gefährdet, wenn während des Zuges Schlechtwetterperioden auftreten.
 
 
 
Die Mehlschwalbe gehört zu den Arten, die über Jahrhunderte von menschlichen Aktivitäten profitiert hat. Das Abholzen der Wälder und die Errichtung menschlicher Siedlungen ging für die Mehlschwalbe mit einer Steigerung der Nistmöglichkeiten einher. Als attraktiver Vogel, der sich von fliegenden Insekten ernährt, wurde die Mehlschwalbe vom Menschen dabei als nützlich begriffen und im Allgemeinen toleriert, wenn sie an Hauswänden nistete.
 
In den letzten Jahrzehnten haben der Einsatz von Pestiziden und eine sich verändernde Landwirtschaft zu einem Rückgang der Art geführt.
 
Negativ auf den Bestand wirken sich außerdem vor allem die Veränderungen im Siedlungsbereich aus: An modernen glatten Fassaden bleiben die Nester nicht mehr haften, oft werden sie bei Renovierungsarbeiten achtlos oder mutwillig zerstört. Auf versiegelten Flächen finden die Mehlschwalben kein Baumaterial für ihre Nester mehr.
 
Seit 2002 steht die Mehlschwalbe in der Bundesrepublik Deutschland auf der Vorwarnliste für bedrohte Vogelarten. Als Gebäudebrüter fallen Mehlschwalben – ebenso wie Rauchschwalben, Mauersegler und Haussperlinge – in die Kategorie der besonders geschützten Arten, deren Nester nach gesetzlicher Regelung nicht zerstört werden dürfen (Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege [BNatSchG] § 44, Abs. 1, Nr. 3).
 
 
 
Naturschutzorganisationen machen regelmäßig darauf aufmerksam, wie einfach es ist, Mehlschwalben zu helfen: Die im Handel erhältlichen Kunstnester werden von Mehlschwalben gerne angenommen, sofern noch in der weiteren Umgebung Mehlschwalben nisten. Ein waagrechtes Brett unterhalb der Nester verhindert dabei, dass Kot die Fassade verschmutzt. Empfohlen wird gelegentlich, diese Bretter mindestens 50 Zentimeter unterhalb der Nester zu befestigen, damit Nesträuber die Gelege nicht erreichen können. Das Anlegen kleiner Lehmpfützen hilft, den Mehlschwalben geeignetes Nistmaterial zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus kann das Errichten eines Schwalbenhauses als Ergänzung, Sicherung oder Ersatz für eine Kolonie an Gebäuden eine sinnvolle Hilfsmaßnahme sein.
 
 
 
Quelle: Wikipedia
 

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